Alexa die bejubelte Superwanze

 

Wer wissen möchte, welche Gespräche er irgendwann in seiner eigenen Wohnung geführt hat oder wer wann zu Besuch war, schafft sich Alexa an. Dieses Ding erledigt auch nebenbei noch Aufgaben für die sich der moderne Mensch zu bequem geworden ist. Fernseher oder Radio einschalten, Sender wählen, Bestellungen via Internetz abschicken, an Termine erinnern und noch vieles mehr. Und alles wird für immer gespeichert, bei „Alexas Chef“ – Amazon! Als systemrelevantes Unternehmen gewährt Amazon natürlich den Überwachungsdiensten jederzeit Zugriff.

 

Die Pläne um den gläsernen Menschen zu erschaffen werden schon seit Jahren immer konkreter. Der Überwachungsstaat wächst langsam aber stetig. Jeder Bundesbürger erhält eine Steuernummer ab Geburt die ihn durch das ganze Leben begleitet, jeder hat dazu noch eine Sozialversicherungsnummer und im Ausweispapier findet sich eine Dritte. Behörden und Konzerne erhalten Informationen über den Bürger / Kunden / Menschen per Knopfdruck. Und jetzt mit diesem Alexa-Ding geht es ins Überwachungsfinale.

 

Während die Stasi noch in Wohnungen einbrechen musste, um ein paar Wanzen zu installieren, bezahlen wir heute an die 100 Euro und lassen uns freiwillig ausspähen. Ist das modern und fortschrittlich oder einfach nur leichtsinnig und bekloppt?

Seit 2016 bietet Amazon auch hier in der Bundesrepublik Deutschland mit „Amazon Echo“ eine mit sieben Mikrofonen ausgestattete Lautsprecherbox an, die auf den Namen Alexa hört und uns für unser Zuhause einen „cloudbasierten Voice-Service“ bietet, also einen Sprachservice mit Speicherplatz im Netz. Alexa ist also ein Sprachassistent, mit dem wir in Zukunft unsere interaktive Wohnumgebung mittels Sprachbefehlen steuern können und vor allem sollen! Schon jetzt können wir Alexa bitten, unsere Lieblingsmusik zu spielen, den Wetterbericht oder die Verkehrslage abzufragen oder unsere Einkaufsliste und Terminkalender zu führen. Über eine offene Schnittstelle lässt sich Alexa schon heute mit rund 50.000 Funktionen und an die 20.000 Geräten verbinden und in absehbarer Zeit können wir dann mit Alexa in unserer auf diese Weise pseudointelligenten Wohnumgebung die Waschmaschine anschalten, die Heizung regulieren oder den autonomen Staubsauger starten. Das klingt für viele nach einem tollen Service und großem Komfort, hat aber einen sehr bedenklichen Haken: Jeden Befehl, den wir Alexa geben, speichert Amazon auf seinen Servern und wertet diese Daten aus, um unser Kaufverhalten zu analysieren. Wir werden zu absolut gläsernen Konsumenten, da dieses Gerät immer eingeschaltet ist und auf Befehle wartet, hört es praktisch jedes Gespräch mit und zeichnet es für den Nutzer nicht löschbar für immer auf. Nun werden einige sagen, Alexa ist die Zukunft. Das ist Digitalisierung. Beides wird man nicht aufhalten können. Doch Digitalisierung bedeutet nicht automatisch wie hier bei Alexa auch totale Überwachung!

 

Kennen Sie, liebe Leser, die Radiowerbung, die genau dieses Thema darstellt:

Der Funkspot „Smart Home“ http://www.radiozentrale.de/fileadmin/mnt_downloads/DL_Aktuell/Kampagne_Pro_Radio/RZ_Smart_Home__40_Sek._.mp3

(Volksmusik im Hintergrund)

Mann: Ouh, Chef! Bernd Klüngel hier. Ich werd’ es heut’ nicht zur Arbeit schaffen. Mein Smart Home spinnt und hat alle Türen verriegelt. Seit 06 Uhr dudelt hier die Volksmusik. Meine Kaffeemaschine hat mir schon vierzig Tassen Espresso gemacht.

Stimme SmartHome: Espresso ist fertig.

Mann: Und die Farbe meiner Deckenleuchte wechselt im Sekundentakt!

Stimme SmartHome: Aktiviere blaues Licht

Mann: Wenn Sie mir nicht glauben; Meine Überwachungskameras übertragen die Bilder jetzt auch live im Internetz. Aber ich möcht’ Sie warnen. Denn Meine Heizung hat mittlerweile die 50 Grad überschritten.

Darum...bin ich nackt.

Stimme SmartHome: Espresso ist fertig.

Mit Radio erreichen Sie immer die Richtigen. Radio. Geht ins Ohr. Bleibt im Kopf.

 

Noch lachen wir darüber und die meisten halten es für Satire – doch ist es inzwischen bittere Realität.

Digitalisierung ist ja das große Zauberwort der Stunde. Alle jubeln ohne zu denken. Die Politclowns verstehen nichts davon, versprechen aber das „schnelle Internet“ und träumen bereits von Flugtaxis. Was Digitalisierung wirklich bedeutet, was das mit uns als Menschen macht, mit unserer Welt, darüber wird viel zu wenig aufgeklärt. Deshalb ist Amazon ein gutes Beispiel. Als Marktführer in Sachen digitaler Infrastruktur und den Rechenzentren, die alle die bereitgestellten Möglichkeiten am Laufen halten, verfügt Amazon außerdem über rund 300 Millionen ständig aktualisierter Kundenprofile. Amazon ist auf dem Weg zum Allesbeherrscher und Alleswisser! Wollen wir uns wirklich auf eine digitale Zukunft einlassen, die von wenigen Monopolunternehmen gelenkt und organisiert wird, die dabei totalitäre Überwachungsmethoden anwenden? Ex-Stasi-Mitarbeiter heulen wahrscheinlich Freudentränen, wenn sie heute von solchen Möglichkeiten hören.

 

Das ist doch verrückt, gerade hier in Deutschland. Seit der (Teil-)Wiedervereinigung gibt es die Behörde, die das Unrecht des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit aufarbeitet und den Betroffenen Einsicht in ihre „Stasi-Akten“ gewährt. Keine 30 Jahre später kaufen wir uns jetzt bei Amazon mit Alexa eine Superwanze, die gerne auch mal ganze Gespräche mitschneidet, die wir Zuhause ganz privat führen. Wenn Alexa ein Codewort hört, das so ähnlich wie „Alexa“ klingt, ist das Gerät nicht mehr zu halten und beginnt mit der Speicherung. Sagen Sie, liebe Leser, zu Ihrem Freund oder Freundin Alex (Kurzform von Alexandra oder Alexander und klingt ja so ähnlich) fühlt Alexa sich angesprochen und legt los. „Na und“, höre ich jetzt die nichtdenkenden Gutmenschen im Lande sagen, „ich habe ja nichts zu verbergen.“ Doch – denn jeder Mensch hat eine Intimsphäre, die unantastbar zu bleiben hat. Unantastbar für Alexa und erst recht für den alles überwachenden Staat.

 

So kommt man zu der Schlussfolgerung, dass es im Hinblick auf die Möglichkeiten der Überwachung, die Alexa bietet, vielleicht auch ein fehlendes Problembewusstsein auf Seiten der Kunden gibt. So fehlt es auch an Aufklärung. Alexa fragt uns ja nicht, ob sie die Befehle aufzeichnen darf, die wir ihr geben. Wer die Gebrauchsanweisung bis ins Kleingedruckte liest oder die richtige Einstellung der App findet, kann die Befehlshistorie von Alexa auch teilweise löschen. Bis das passiert, sind die Daten natürlich längst ausgewertet. Der Prozess müsste doch umgekehrt laufen. Wenn man Alexa installiert, müsste man doch zunächst einmal ganz offensiv erfahren, welche Daten aufgezeichnet werden, was damit passiert und ob man damit einverstanden ist. Aber das passiert nicht. Uns wird das als Komfort verkauft, den wir mit dem Verlust an unbeobachteter Privatheit und unserer Freiheitsrechte bezahlen. Ein autonomer Staubsauger, der unsere Wohnung sauber hält, ist ja vielleicht ganz lustig, aber warum muss dieser Staubsauger auch gleichzeitig unsere Wohnung ausmessen und diese Daten an Dritte melden?

 

Es ist bereits eine Abgabe von unseren Rechten, wenn wir diese Alexa mit „Alexa“ ansprechen. Ein Ding wird dadurch vermenschlicht, in dem es einen menschlichen Namen erhält, den jeder gebraucht. Man kann doch einfach „das Ding“ sagen, denn nur um ein solches handelt es sich auch. Und ein Ding ist es wiederum (kleines Wortspiel am Rande), dass dies vom Anwender dieser „smarten“ Lauschangriffswanze nicht erkannt wird! Früher galt es noch als geisteskrank, wenn man sich mit Gegenständen unterhalten hat. Heute antworten diese Gegenstände sogar noch! Leben wir alle bereits in einer Anstalt und haben es nicht bemerkt vor lauter „Beglückung“?

 

Ob Amazon oder vergleichbare Geräte von Google oder Apple – alle Anbieter dieser Sprach-Dienste (Neusprech: Voice-Services) arbeiten an der Optimierung der Sprachqualität, damit Alexa möglichst menschlich klingt. Amazon hat zum Beispiel kürzlich ein Patent angemeldet, weil Alexa jetzt schon an unserer Stimme erkennen kann, ob wir erkältet sind, und uns dann auch gleich die richtige Medizin empfiehlt. - Jetzt wird es doch wirklich gruselig.

 

Da fällt einem der alte Pizzabesteller-Witz ein, der so zur Realität wurde:

Pizza-Kurier

Danke, dass Sie Pizza-Pizza angerufen haben. Kann ich Ihre ...

Kunde

Guten Tag, ich möchte etwas bestellen.

Pizza-Kurier

Kann ich bitte erst Ihre IDN haben?

Kunde

Meine ID Nummer, ja, warten Sie, die ist 756028723-42-97722.

Pizza-Kurier

Vielen Dank, Herr Mayer. Sie wohnen in der Bahnhofsstraße 42 und Ihre Telefonnummer lautet 87-156-42. Ihre Firmennummer bei der Allianz ist 45-432-22 und Ihre Durchwahl ist -42. Von welchem Anschluss aus rufen Sie an?

Kunde

Hä? Ich bin zu Hause. Wo haben Sie alle diese Informationen her?

Pizza-Kurier

Wir sind an das System angeschlossen.

Kunde (seufzt)

Oh, natürlich. Ich möchte zwei von Ihren Spezial-Pizzen mit besonders viel Fleisch bestellen.

Pizza-Kurier

Ich glaube nicht, dass das gut für Sie ist.

Kunde

Wie bitte??!!

Pizza-Kurier

Laut Ihrer Krankenakte haben Sie zu hohen Blutdruck und sehr hohe Cholesterinwerte. Ihre Krankenkasse würde eine solche ungesunde Auswahl nicht gestatten.

Kunde

Verdammt! Richtig. Gut, dass Sie mich darauf aufmerksam machen. Was empfehlen Sie denn?

Pizza-Kurier

Sie könnten unsere Lightversion mit Diätkäse und Tofu probieren. Sie wird Ihnen bestimmt schmecken.

Kunde

Wie kommen Sie darauf, dass ich das mögen könnte?

Pizza-Kurier

Nun, Sie haben letzte Woche das Buch "Sojarezepte für Feinschmecker" aus der Bücherei ausgeliehen. Deswegen habe ich Ihnen diese Pizza empfohlen.

Kunde

Ok, ok. Geben Sie mir zwei davon in Familiengröße. Was kostet der Spaß?

Pizza-Kurier

Das sollte für Sie, Ihre Frau und Ihre vier Kinder reichen. Der Spaß, wie Sie es nennen, kostet 42 Euro.

Kunde

Ich gebe Ihnen meine Kreditkartennummer.

Pizza-Kurier

Die haben wir doch schon .... Aber zu meinem Bedauern werden Sie bar zahlen müssen. Der Kreditrahmen Ihrer Karte ist bereits überzogen.

Kunde

Ich laufe runter zum Geldautomaten und hole Bargeld, bevor Ihr Fahrer hier ist.

Pizza-Kurier

Das wird wohl auch nichts. Ihr Girokonto ist auch überzogen.

Kunde

Egal. Schicken Sie einfach die Pizza los. Ich werde das Geld dahaben.

Wie lange wird es dauern?

Pizza-Kurier

Wir hängen ein wenig hinterher. Es wird etwa 40 Minuten dauern. Wenn Sie es eilig haben, können Sie sie selbst abholen, wenn Sie das Geld besorgen, obwohl der Transport von Pizza auf dem Motorrad immer etwas schwierig ist.

Kunde

Woher wissen Sie, dass ich Motorrad fahre?

Pizza-Kurier

Hier steht, dass Sie mit den Ratenzahlungen für Ihren Wagen im Rückstand sind und ihn zurückgeben mussten. Aber Ihre Harley ist bezahlt, also nehme an, dass Sie die benutzen.

Kunde

!@#%/$@&?#!"

Pizza-Kurier

Achten Sie lieber darauf, was Sie sagen. Sie haben sich bereits im April 2015 eine Verurteilung wegen Beamtenbeleidigung eingefangen.

Kunde

[Sprachlos] ...

Pizza-Kurier

Möchten Sie noch etwas?

Kunde

Nein, danke. Oh doch, bitte vergessen Sie nicht, die beiden kostenlosen Liter Cola einzupacken, die es laut Ihrer Werbung zu den Pizzen gibt.

Pizza-Kurier

Es tut mir leid, aber die Ausschlussklausel unserer Werbung verbietet es uns, kostenlose Softdrinks an Diabetiker auszugeben.

Kunde

GRRRRRRRRRRRRRRRRRR.

Pizza-Kurier

Wie meinen?

Kunde

Kann ich Ihren Namen haben? Ich möchte mich beschweren.

Pizza-Kurier

Leider Nein. Den kann ich Ihnen aus Datenschutzgründen nicht nennen. Wir nehmen das Thema Datenschutz hier sehr ernst.

 

Das ist durchaus schon die Realität! – Wer konnte darüber eben beim Lesen noch wirklich lachen.

 

Hier hat sich eine neue Form des Überwachungsstaates entwickelt, in dem wir freiwillig unsere Bürgerrechte aufgeben. Wir werden zu reinen Objekten degradiert und dürfen /sollen / müssen munter mitspielen – natürlich nur, solange wir bezahlen können. Wenn nicht, sind wir draußen - „game over“ heißt es im Neusprech!

 

Wir müssen uns dringend die Frage stellen, in welcher Gegenwart wir in Zukunft leben wollen. Edward Snowden, der den NSA-Skandal aufgedeckt hat, begründete seine Aktion bekanntlich mit dem Satz: „Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der alles, was ich tue und sage, aufgezeichnet wird.“ Das ist der richtige Ansatz, um die digitale Welt vernünftig und menschengerecht zu gestalten. Auswüchse, die sich aktuell abzeichnen, gilt es zu stoppen und positiv zu korrigieren!

 

Achim Kurth / Terra-Kurier / 23.01.2020